Landessortenversuche Wintergerste 2017

Wintergerstenernte mit Claas-MähdrescherBild vergrößern
Ernte der Wintergerste

Wintergerste 2017 - stabile Erträge trotz Trockenheit und Hitze!

Ungewöhnlich früh begann um den 20. Juni in NRW die Wintergerstenernte. Einen Monat später war sie in den Höhenlagen noch nicht abgeschlossen. Die lange Erntephase deutet auf große Unterschiede in den Wachstumsbedingungen zwischen den Regionen hin. Auch bei den Erträgen gab es Unterschiede zwischen Regionen, Betrieben und Schlägen. Die Ertragsspanne reicht von enttäuschenden 6 t/ha oder weniger bis zu sehr guten Erträgen über 10 t/ha. Zusammengefasst waren Erträge und Qualitäten unter den Spezialbedingungen von 2017 zufriedenstellend bis gut. Über die Ergebnisse der Landessortenversuche und die Konsequenzen für die Sortenwahl berichten Heinrich Brockerhoff und Heinz Koch.

Besonderheiten des Anbaujahres

Der September 2016 war deutlich zu warm und extrem trocken. Auf schwereren Böden und in den Höhenlagen gab es Probleme bei Saatbettbereitung, Saat und Auflauf, die sich im Laufe des Herbstes zum Glück auswuchsen. Schon im Auflauf besiedelten Blattläuse die Bestände und erforderten den gezielten Einsatz von Insektiziden. Oktober und November förderten bei ausreichenden Niederschlägen und normalen Temperaturen die weitere Entwicklung. Es folgte ein trockener Dezember.

Das Jahr 2017 startete mit einem Wintereinbruch, der aber nicht zu Auswinterungsschäden führte. Februar und März waren viel zu warm. Die Bestände hatten zu diesem Zeitpunkt gegenüber Normaljahren einen Entwicklungsvorsprung von mehr als einer Woche. Auf Standorten mit Gelbmosaikvirus 2 (BaYMV-2) zeigten sich zu diesem Zeitpunkt bei nicht resistenten Sorten massive Schäden. Viel Fingerspitzengefühl erforderte der Einsatz von Wachstumsreglern. Bei frühen Einsätzen in den Niederungslagen Anfang April wirkten die eingesetzten Mittel trotz kühler Temperaturen stärker als erwartet. Mitte April gab es eine längere Phase mit Nachtfrösten. Vor allem in den Höhenlagen noch ausstehende Wachstumsreglergaben mussten weiter verschoben werden und konnten erst ungewöhnlich spät mit dann eingeschränkter Wirkung nachgeholt werden.

April, Mai und Juni waren sehr trocken, die Monate Mai und Juni zusätzlich auch noch extrem heiß. Die Bestände wurden auf den Feldern regelrecht gebacken und reiften bis auf die Höhenlagen gesund, aber leider auch extrem schnell ab. Besonders von Trockenheit und Hitze betroffen waren leichte und flachgründige Böden, das westliche und nördliche Münsterland und der gesamte Südwesten von NRW. Auf diesen Standorten war Wintergerste schon ab dem 20.Juni erntereif, während in den Höhenlagen zu diesem Zeitpunkt noch grasgrüne Bestände auf den Feldern standen.

Sortiment und Versuchsanstellung

In den Versuchen der Landwirtschaftskammer NRW wurden in diesem Jahr insgesamt 20 Sorten geprüft. Dabei handelt es sich um vierzehn mehrzeilige und zwei zweizeilige Liniensorten sowie vier Hybriden. Neu geprüft wurden mit KWS Higgins, Hedwig und der Winterbraugerste KWS Liga drei Liniensorten und mit Toreroo eine Hybride.

Die Landessortenversuche von NRW werden gemeinsam mit den Landwirtschaftskammern aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein geplant und verrechnet. Versuche vergleichbarer Boden- und Klimagruppen können so in der Auswertung zusammengefasst werden. Hierdurch verfügen wir mit zwei Löß-, sechs Lehm-, zwei Sand- und vier Höhenstandorten über eine sehr sichere Basis für die Sortenbeurteilung.

Die Prüfung erfolgte in zwei Behandlungsstufen. Neben der praxisüblichen Intensität (normale Düngung, 2 x Fungizid und 1-2 x Wachstumsregler) wurde zur Beurteilung der agronomischen Eigenschaften eine Variante ohne Fungizide und mit eingeschränktem Wachstumsregler durchgeführt. Die Ertragsunterschiede zwischen diesen beiden Stufen liegen je nach Standort im Mittel der Sorten zwischen 8 und 26 dt/ha. Die höhere Intensität war 2017 also nicht immer wirtschaftlich. Daraus darf nach einem gesunden Jahr mit wenig Lagerdruck nicht abgeleitet werden, dass an bestimmten Standorten oder in bestimmten Sorten grundsätzlich auf Fungizide oder Wachstumsregler verzichtet werden kann.

Nicht nur auf Ertrag achten!

Der erste Blick bei der Sortenwahl geht natürlich auf die Ertragsleistung des aktuellen Jahres auf den Einzelstandorten (Tabelle 1, siehe PDF unten). Wichtiger ist der Blick auf die mehrjährige Ertragsleistung auf den einzelnen Standortgruppen (Tabelle 2). Gute Sorten zeichnen sich neben der Ertragshöhe in einem Einzeljahr durch Ertragsstabilität über die Jahre aus.

Liniensorten wie Quadriga, KWS Meridian, KWS Kosmos, KWS Keeper, Joker und Tamina oder die Hybriden Galation und Wootan sind seit Jahren sichere Leistungsträger. Bei erst zweijährig geprüften Sorten wie LG Veronika, Sonnengold, SU Ellen oder Bazooka kann die Ertragssicherheit noch nicht sicher beurteilt werden. Interessant sind neuere Sorten dann, wenn sie in den vorliegenden Prüfjahren erkennbar besser als ältere Sorten abschneiden oder bei gleichen Erträgen in wichtigen Merkmalen Vorteile zeigen. Das gilt bei den zweijährig geprüften Sorten für die Hybride Bazooka, die gegenüber älteren Hybriden mit besserer Strohstabilität punkten kann.

Wichtige agronomische Eigenschaften wie Winterhärte, Gesundheit, Virustoleranz, Standfestigkeit, Strohstabilität und hl-Gewicht spielen neben der Ertragsleistung eine entscheidende Rolle. Jeder Anbauer muss überlegen, welche Eigenschaften für ihn besonders wichtig sind und kann dann unter den Leistungsträgern selektieren. Die Einstufungen der beschreibenden Sortenliste (Tabelle 3) geben nach unseren Erfahrungen hierzu sehr verlässliche Informationen. Bei Bedarf haben wir diese Einstufungen bei einzelnen Sorten angepasst.

Trotz der zuletzt eher milden Winter darf in Höhenlagen das Merkmal Winterhärte nicht vergessen werden. Sorten unterscheiden sich, die Unterschiede sind aber geringer ausgeprägt als beim Winterweizen. Besser als der Durchschnitt sind KWS Keeper, KWS Kosmos und KWS Meridian.

Bei Standorten mit Gelbmosaikvirus 2 (BaYMV-2) müssen doppeltresistente Sorten ausgewählt werden. Das hat das Jahr 2017 nachdrücklich gezeigt. Die Sortenauswahl in diesem Bereich ist begrenzt. Mit KWS Keeper und Joker stehen aktuell zwei mehrjährig geprüfte Sorten zur Auswahl. Beide erreichen auch bei Nichtbefall knapp das Ertragsniveau der einfachresistenten Sorten. KWS Keeper ist relativ lang, später reif und passt eher auf die besseren Standorte. Joker ist früher in der Reife, hat aber Schwächen bei Strohstabilität und hl-Gewicht. SU Ellen als frühreife Sorte ist eingeschränkt doppeltresistent und wurde nur auf Löß geprüft. Die erstmals in den Landessortenversuchen geprüfte Sorte Hedwig schnitt durchgängig unterdurchschnittlich ab.

Beim Gesundheitswert gibt es bei Wintergerste nur relativ geringe Unterschiede. Durchgängig etwas gesünder sind Hedwig, LG Veronika und Toreroo. Auch bei der Standfestigkeit gibt es relativ wenig Varianz. Gut standfeste Sorten wie Hedwig, Henriette, SU Ellen oder Galation haben Schwächen in der Strohstabilität. Knapp überdurchschnittlich bei Standfestigkeit, Halm- und Ährenknicken ist von den empfohlenen Sorten nur Tamina. Besonders gefährdet bei Halm- und Ährenknicken war bislang die Gruppe der Hybridsorten. Die neuen Hybriden Bazooka und Toreroo zeigen sich hier verbessert.

Bei der Vermarktung spielt das hl-Gewicht eine wichtige Rolle. Sorten mit den Boniturnoten 5 und 6 in der Beschreibenden Sortenliste erreichen in normalen Jahren zuverlässig die kritische Grenze von 62 kg. Probleme beim hl-Gewicht haben Joker, Sonnengold und SU Ellen. Hier wird es in schlechten Jahren wirklich knapp.

Hybriden anbauen?

Sehr gute Liniensorten dreschen nicht schlechter als die Hybriden. Warum also Hybriden anbauen? Höhere Saatgutkosten führen auch bei reduzierten Aussaatmengen von 180 Körnern/m2 zu Mehrkosten. Hybriden müssten bei aktuellen Preisen mindestens 3 bis 4 dt/ha mehr Ertrag bringen. Nur dann profitiert auch der Anbauer. Das ist anhand mehrjähriger Versuchsergebnisse nicht belegbar. Auf Sandstandorten ist der Abstand zwischen Linien und Hybriden größer als bei Löß, Lehm oder Höhenlagen. Hier sollten Hybriden am ehesten eine Rolle spielen.

Gemessen an der Praxisbedeutung ist die Anzahl der angebotenen Hybriden groß. Wootan, Galation, Tropper und Toreroo werden bundesweit über Syngenta Seeds vertrieben. Weitere Sorten werden exklusiv über verschiedene VO-Firmen angeboten und beworben. Celoona (Agravis), Mercurio (PSG), Pharaoo (BSL) und Bazooka (Baywa) sind entsprechende Beispiele. Fast alle Sorten wurden in den Zulassungsversuchen und in Landessortenversuchen geprüft. Hierbei waren Wootan und Galation im Vergleich die Ertragssieger. Bazooka zeigt sich mit zwei Prüfjahren ebenfalls leistungsstark und zudem strohstabiler. Toreroo konnte mit verbesserten Eigenschaften und guten Erträgen im ersten Prüfjahr aufwarten.

Hybriden - Vorteile bei Spätsaaten?

Aufgrund ihrer höheren Vitalität werden Hybriden Vorteile bei der Spätsaatverträglichkeit nachgesagt. Eine wichtige Fragestellung, wenn Gerste nach später räumenden Vorfrüchten wie Mais steht. Diese Fragestellung kann mit Ergebnissen aus „normalen Landessortenversuchen“ mit praxisüblichen Saatterminen nicht beantwortet werden. Daher wurden im vergangenen Herbst erstmals spezielle Spätsaatversuche angelegt. Quadriga und KWS Meridian als leistungsstarke Linien wurden dabei mit den Hybriden Wootan und Bazooka verglichen. Die Aussaat erfolgte drei Wochen nach dem praxisüblichen Saattermin direkt neben dem Landessortenversuch. Die einjährigen Ergebnisse der drei Standorte sind in Tabelle 4 dargestellt. Die verspätete Aussaat hatte an den einzelnen Standorten unterschiedliche Auswirkungen. Im Mittel der Versuche war die Spätsaat sieben Prozent schlechter als der normale Saattermin. Grundsätzliche Vorteile von Hybriden gegenüber Liniensorten waren weder bei Früh- noch bei Spätsaat erkennbar. Wir werden das Thema weiter verfolgen.

Winterbraugerste - ein Spezialsegment

Erstmals im Landessortenversuch geprüft wurde mit KWS Liga auf den Lößstandorten eine zweizeilige Winterbraugerste. In Frankreich ist der Anbau von Winterbraugerste stärker verbreitet. Knapp versorgte Braugerstenmärkte machen das Marktsegment auch in NRW interessant. Gegenüber Sommerbraugerste lockt auf mittleren Standorten mit gut kalkulierbaren organischer N-Nachlieferung das höhere Ertragsniveau. Bezüglich Qualität erreichen die Spezialsorten alle geforderten Parameter. Beim Eiweißgehalt gilt die Grenze von 11,5 Prozent. Das Ertragsniveau lag 2017 in den beiden Versuchen um rund zehn Prozent unter den normalen Futtergersten. Bei den am Markt erzielbaren Aufschlägen eine durchaus interessante Alternative, die aber nur in Absprache mit dem Handelspartner als Vertragsanbau getestet werden sollte.

Welche Liniensorten sind empfehlenswert?

Die Empfehlung für die einzelnen Standorte ist in Tabelle 5 zusammengefasst. Zusätzlich sind auch die Vermehrungsflächen der Sorten in NRW aufgeführt. Hohe Siebabgänge aufgrund der Trockenheit werden die Saatgutverfügbarkeit im Herbst 2017 begrenzen. Daher sollten Wunschsorten bald bestellt werden.

Liniensorten mit genereller Empfehlung

Quadriga: Die Sorte zeigt mehrjährig überdurchschnittliche Erträge. Sie ist relativ lang, besitzt aber dennoch eine gute Standfestigkeit. Die hl-Gewichte sind mittel bis gut. Quadriga wird auf allen Standorten empfohlen.

KWS Kosmos: Dreijährig geprüft mit sicheren Erträgen auf allen Standortgruppen. Winterhart mit relativ guter Strohstabilität und gutem hl-Gewicht.

KWS Meridian: Ertragsstabile Sorte ohne große Stärken, aber eben auch ohne große Schwächen. Auf Halmknicken muss geachtet werden. Empfohlen auf Löß, Lehm und aufgrund der guten Winterhärte auch in den Höhenlagen.

KWS Keeper: Doppeltresistenz bei Gelbmosaikvirus. Spätreif und eher lang bei dennoch guter Standfestigkeit und relativ guter Strohstabilität. Gute Winterhärte. Passt eher auf die besseren Böden. Empfehlung für Löß, Lehm und in den Höhenlagen.

Joker: Doppelresistent bei Gelbmosaikvirus. Früher reif als KWS Keeper. Schwächen bei Halmknicken und hl-Gewicht.

Tamina: Stabil durchschnittliche Ertragsleistung auf den besseren Böden. Relativ standfest mit guter Strohstabilität und guten hl-Gewichten. Empfehlung für Lehm und Löß.

SU Ellen: Die Sorte bedient den Typ einer frühreifen Sorte. Ertragsvorteile von frühreifen Sorten gegenüber später reifenden Sorten sehen wir in NRW nicht. Das Ertragsniveau ist knapp durchschnittlich. Schwächen bei Strohstabilität und hl-Gewicht.

Hybriden mit Empfehlung

Wootan: Mehrjährig geprüfte Hybride mit konstant guter Ertragsleistung auf allen Standorten. Schwächen bei der Strohstabilität. Gute und sichere hl-Gewichte.

Galation: Mehrjährig geprüfte Hybride mit gegenüber Wootan leicht verbesserter Standfestigkeit und Strohstabilität. Gute und sichere hl-Gewichte.

Bazooka: Zweijährig geprüft mit guter Ertragsleistung und gegenüber Wootan und Galation verbesserter Strohstabilität.

Was zeigten die neuen Sorten?

KWS Higgins: Die sehr gute Ertragseinstufung vom Bundessortenamt konnte 2017 nur in den Höhenlagen bestätigt werden. Auf Löß, Lehm und Sand mit durchschnittlichen Erträgen. Schwächen bei Strohstabilität und Zwergrost.

Hedwig: Eine Alternative zu KWS Keeper oder Joker ist die doppeltresistente Sorte mit den Erträgen aus 2017 nicht. Sehr schnell in der Jugendentwicklung, gute Blattgesundheit und früh beim Ährenschieben.

Toreroo: Gute Ertragsleistung auf allen Standortgruppen, keine Schwäche bei Krankheiten und die gute Strohstabilität heben Toreroo nach einen Prüfjahr von den anderen Hybriden leicht ab.

Sortenberatung online

Unter www.sortenberatung.de bietet die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen seit Juli 2016 eine neue, kostenlose und neutrale Beratung und Information zu Getreide- und Winterrapssorten. Die Internetseite macht Sortenberatung schneller, einfacher und individueller. Das Programm funktioniert auf dem Smartphone, dem Tablet und dem PC ohne eine Programm herunterladen zu müssen. Mit nur wenigen Angaben werden geeignete Sorten selektiert und Stärken und Schwächen aufgezeigt. Mehr als 40.000 Seitenaufrufe im Jahr 2016 belegen die sehr gute Praxistauglichkeit.

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